Kirchners Straßenszenen: mit Gasbeleuchtung

Konsul Helmut Holz:

„In vielen Städten der Welt — London, New York, Vancouver als Beispiele — werden Millionenbeträge investiert, um zuvor vernichtete Kulturgüter wie Gaslaternen wieder in Betrieb zu nehmen. Man stellt diese unter Denkmalschutz. In Frankfurt plant das Verkehrs-Dezernat dagegen, mit Millionenbeträgen über mehrere Folge-Haushalte die heute noch voll funktionsfähigen Gaslaternen abzuschaffen und durch LED zu ersetzen. Das ist frevelhafte Kulturpolitik!“

Flugblatt mit Aufruf zum Erhalt der Gaslaternen in Frankfurt (bitte anklicken):

 

Sondernummer Frankfurt der Zeitschrift „Zündfunke“ (bitte anklicken):

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Das magische Licht hüten. Stopp dem Abriss der Frankfurter Gaslaternen

Familie Marhold wohnt seit Generationen im Holzhausenviertel und findet die neue LED-Straßenbeleuchtung in der Holzhausenstraße entsetzlich. „Es tut den Augen weh“, sagt Hildegard Marhold, „ich bin froh, wenn ich in die gasbeleuchtete Eysseneckstraße einbiege“. Auch ihre Tochter findet das neue Licht unangenehm hell. „Wenn dieses Licht uns so blendet, wie muss es dann erst Insekten gehen?“ Frau Marhold spricht von der Sucht nach Helligkeit; Überbeleuchtung ist unangenehm und trägt zum Insektensterben bei. Das grelle weiße Licht aus LED-Lampen ist schädlich auch für den menschlichen Tag-Nacht-Rhythmus. Eine andere Anwohnerin beschreibt es so: „Der Lichteindruck ist heller und kälter geworden. Ist eine so strahlende Beleuchtung in einem Wohngebiet notwendig?“ Nein, ist sie nicht; der Abriss von funktionstüchtigen Gaslaternen ist Geldverschwendung und ein banausenhafter Umgang mit einem Industriekulturgut. Wir sind gefordert, endlich bewusster mit dem Problem der Lichtverschmutzung umzugehen, wie die erste Nachtschutzbeauftragte Deutschlands Sabine Frank sagt, die sich gegen Überfluss und Verschwendung an Beleuchtung einsetzt.

Konträr dazu hat die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung 2014 mit ihrer damaligen schwarz-grünen Mehrheit einen Grundsatzbeschluss zum Abriss der letzten 5000 Gaslaternen in unserer Stadt gefasst.

Auftragnehmer dieses 60 Millionen teuren Projekts ist die SRM Straßenbeleuchtung Rhein-Main GmbH, die in Person von Geschäftsführer Erfert intensiv agitierte zugunsten der immens teuren und aufwendigen Umrüstung der Gasbeleuchtung. Es müssen zahllose Straßen aufgerissen werden; zudem stehen die meisten Gasleuchten in Straßen mit altem Baumbestand, wie ein Bericht des Magistrats  vom Januar 2017 hervorhebt. Das Verkehrsdezernat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass erhebliche Abstimmungen und Maßnahmen zum Baumschutz ergriffen werden müssen und der Abriss sich deswegen verzögere. Insofern können die Frankfurter froh sein, dass Verkehrsdezernent Oesterling im Gegensatz zu seinem Vorgänger Majer umsichtig vorgeht und keine Priorität auf den Gaslaternen-Kahlschlag legt. Naheliegend und ratsam wäre es, die Straßen, ihre Laternen und Baumwurzeln gar nicht anzutasten, so wie es die Initiative Prograslicht Frankfurt mit tausenden Unterschriften aus allen Stadtteilen fordert.

Was die SRM bei ihrer Kampagne verschweigt: neue EU-Lichtnormen erfordern mehr Laternen, sie stehen dann dicht an dicht wie in den Pilotstraßen Nistergasse und Justinianstraße. Kein Wunder, dass die Kosten überproportional steigen. Was die SRM ebenfalls verschweigt: Die EU-Lichtnormen gelten nicht für bestehende Anlagen! Das städtische Revisionsamt, das mit Blick auf Energieeinsparung eine raschere Elektrifizierung gefordert hat, geht offensichtlich von einem 1:1 Ersatz der Lampen aus. Es werden jedoch 1/3 mehr Elektrolampen aufgestellt, was sowohl im Hinblick auf die Energiebilanz als auch die Kosten eine ganz andere Rechnung ergibt. Dem Revisionsamt empfehlen wir als Lektüre die Expertise der Bürgervereinigung Dichterviertel zur Magistratsvorlage 69 (Abriss des Gaslichts in Frankfurt), „‘Wirtschaftlichkeitsrechnung‘ ist Blendwerk“.

Gaslaternen können hocheffizient betrieben werden, ebenso wie Autos oder Gasherde. Stichworte sind moderne Zündtechnik, optimierte Einstellung, Nachtabsenkung.  Außerdem wird die technische Entwicklung in wenigen Jahren dazu führen, Straßenlaternen etwa mit Solartechnik zu betreiben, ohne dass Straßen aufgerissen werden müssen. Insofern ist zu hoffen, dass das Verkehrsdezernat seine finanziellen Prioritäten anders setzt und die SRM dazu auffordert, ihrer Verpflichtung zur Wartung der Laternen nachzukommen. 259 € pro Laterne pro Jahr kassiert die SRM von der Stadt Frankfurt, aber im Gegensatz zu früher, wie Anwohner bezeugen, kommt sie ihren regelmäßigen Wartungsverpflichtungen nicht mehr nach, sie kommt nur noch, wenn etwas defekt  ist, kassiert aber das gleiche Geld. Die SRM lässt die Maste seit Jahren absichtlich verkommen, sie werden nicht gestrichen, die Isolierbinde nicht gepflegt. Wenn, dann wird eine komplette Laterne ausgetauscht, wiederum zu Lasten des Steuerzahlers. Die Bürger haben einen Anspruch darauf, dass die SRM ihren Verpflichtungen nachkommt. Das gilt übrigens auch für Elektrolampen. Sieglinde Roesner wies in einem Beitrag Raubbau am Kulturgut auf die verdreckten, Quecksilber enthaltenden Energiesparlampen auf wackligen Masten auf dem Römerberg hin – traurige Realität der Straßenbeleuchtung in Frankfurts Gut Stubb.

Gaslaternen geben ein schönes, lebendiges Licht. „Wie man mit diesem Erbe umgeht, hat auch etwas mit der Kultur einer Gesellschaft zu tun“, so die Düsseldorfer Mäzenin und Kunstprofessorin Gabriele Henkel, die sich erfolgreich für den Erhalt der Gasbeleuchtung in ihrer Heimatstadt einsetzte. Wir Deutsche fahren gern in die Welt, um schöne Städte zu sehen. So bewirbt ein Reisebericht Buenos Aires mit: „warmes Gaslicht, Kopfsteinpflaster“. Auch die Londoner sehen sich als „Hüter des magischen Lichts“. Lassen wir nicht zu, dass Technokraten mit nachweislich falschen Angaben dieses historische Erbe unserer Stadt vernichten. Im Unterschied zu Frankfurt hat die Stadt Düsseldorf ebenso wie Dresden und Chemnitz den Wert der Gasbeleuchtung erkannt und deren Erhalt zugestanden. Es ist zu hoffen, dass Vernunft und neue kommunalpolitische Konstellationen den Frankfurter Umrüstungswahn beenden.

 

Film Hessenschau: