Auszüge aus einer baugeschichtlichen Untersuchung des Dichterviertels durch die Architekten Gerd und Sabine Schoen

Die Entwicklung des Dichterviertels begann unter Frankfurts Oberbürgermeister Adickes um 1900. Bis dahin war das Gebiet landwirtschaftlich genutzt. Eingegrenzt zwischen Bornheimer Straße (heute Raimundstraße), Diebsgrundweg (heute Am Dornbusch) und Eschersheimer Landstraße. Das Gebiet am Diebsgrundweg war von Ziegeleien benutzt für die Lehmgewinnung bis zum heutigen Gelände des hessischen Rundfunks. Im Norden bewirtschaftete die Sinaigärtnerei links der Eschersheimer noch Felder. Der Stadtplan von 1910 weist bereits aus: Grillparzerstraße, Anzengruberstraße, Roseggerstraße, Gustav-Freytag-Straße, Ganghoferstraße.

Bepflanzung:
Straßenbäume waren überwiegend Birken und Linden. Die Anzengruberstrasse war/ist eine Birkenallee, wie auch die spätere Raabestrasse, die Roseggerstraße ist eine Lindenallee. Vereinzelt finden sich Ulmen, Kiefern, Eschen, Pappeln, viele Obstbäume in den Gärten.

Bauart:
Die ersten Bauten waren freistehende Villen und Doppel-Ein- bis Zweifamilienhäuser.

Die im Historismus und Jugendstil gebauten Häuser hatten hochliegende gemauerte Keller bis maximal 1,50 m ü. Gelände. Sie waren zweigeschossig, Geschosshöhe 3,50 m i. M; die Walm- oder Satteldächer mit einer Neigung von 43-48°. Mehrere Häuser im Dichterviertel baute der Architekt Bernoully. Mansarddächer, Dachformen mit Versprüngen, hohen geschwungenen Giebeln und runde oder eckige Gaubenfenster; Fachwerk (Zierfachwerk).

Dacheindeckungen waren aus Schiefer oder Biberschwänzen. Der Sockel der Häuser ist häufig aus Sandstein; Sandsteingewände fassen Türen und Fenster ein (Gelbsandstein, Rotsandstein, teilweise Buntsandstein); Klappläden teilweise. Die äußeren Treppenaufgänge haben häufig mit Schiefer eingedeckte Überdachungen mit schmuckvollen Holzstützen oder sind abgemauert. Die Aufgliederungen der Fassaden sind sehr ausgewogen; die Fenstergrößen fast überall gleich (120/210 cm Größe im Durchschnitt). Bei Häusern in Dreiergruppen wird das Mittelhaus durch größere Gauben, Giebel oder Balkone herausgestellt.

Senator Carl Lehner erwarb circa 13.000 m² Land. Auf sein Betreiben hin wurde verhindert, dass die Roseggerstraße bis auf die Eichendorffstraße verlängert wurde. Das Dichterviertel wurde ab 1912 durch viergeschossige Zeilenbebauung zum Dornbusch in abgegrenzt, die Bebauung an der Eschersheimer Landstraße war zwar auch drei- bis viergeschossig, jedoch anfangs nicht in der geschlossenen Zeilenform. Der Stadtplan von 1922 weist aus: Karl-Stieler Straße, Malßstraße, Mörikestraße (alle noch unbebaut), Liliencronstraße (mit bereits sieben Häusern) Klaus Groth-Straße teilweise erschlossen.
Beispiele von Einzelvillen von 1906-1926:

  • Grillparzerstraße 11, 34, 52 (45, 59,73 Abbruch) 71, 72, 83, 90
  • Anzengruberstraße 9
  • Karl Stieler Straße 4
  • Roseggerstraße 1, 15, 16, 32
  • Gustav Freytag Straße 34 (22, 24, 23 Abbruch) [34 ebenfalls abgebrochen]
  • Klaus Groth-Straße 5, 9, 11

Beispiele für Zwei- bis Dreiergruppen bis 1926:

  • Grillparzerstraße 21-37, 53-55 (teilzerstört) 86-88,
  • Liliencronstraße 6-14, 30-34
  • Anzengruberstraße 3-15, 4-14
  • Roseggerstraße 7-9, 17-19, 21-23, 29-31
  • Klaus Groth-Straße 3,8-10,214-16, sechsten 30-40
  • Ganghoferstraße 4-6,220-24,15 Ecke Klaus Groth

Ab 1926 beginnt der Landaufkauf durch Genossenschaften. Bau von Einfamilien- und Reihenhäusern in Zweier und Dreier Gruppen.
Bauart:

  • hochliegende Keller bis maximal 1 m über Gelände
  • Zweigeschossig, Geschosshöhe 3 m
  • Satteldächer, Biberschwanzeindeckung 43-48° Neigung
  • Fenstergrößen 120/120 m i. M.
  • Grundfläche 6,50 m mal 10 m i. M.
  • Grundstücksgröße 170 bis maximal 400 m²

Bebauung Grillparzerstraße/Fritz Reuter-Straße durch die Siedlungsgenossenschaft des Frankfurter Lehrervereins. Ab 1934 nach 3.-Reichs-Verfügung Bau von kleinen Häusern zugunsten von Handwerkern. Bebauen Malßstraße 6-22, Eichendorffstraße, Grillparzerstraße 2-12; Bebauung Wildenbruchstraße (vormals Grillparzerstraße) ab 1935

Mit Siedlung der GAGDF A ha Nummer 45-63 und 44-46.

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde in den fünfziger Jahren entlang des Grüngürtels Jean-Paul-Straße, Rudolf-Presberstraße, die letzte Siedlung im Dichterviertel erstellt mit insgesamt sechs Blocks, dreigeschossig, 53 m² Grundfläche auf jeweils circa 1400 m² Grundstücksgröße.
Weitere Grundstückserschießungen an der Presberstraße und Jean-Paul-Straße mit größeren Grundstücken von 800-2500 m² Bebauung mit Villen freistehend mit einer Grundfläche von 140 m² i. M.
Baustil: zweigeschossig mit Sattel- oder Walmdach flacher Neigung.
Doppel-oder Dreiergruppen von Einfamilienhäusern mit Grundstücksgrößen von circa 300 m².

Beispiele:

  • Gustav Freytag-Straße 12, 13,17-19, 33,35
  • Liliencronstraße 35, 40
  • Eichendorffstraße 36, 44, 46,70, 76,78
  • Jean-Paul-Straße 9
  • Grillparzerstraße 85, 87,89, 92, 92 A
  • Rudolf Presber-Straße 1, 18, 20
  • Wildenbruchstraße 21, 33,35

Ab 1972 erfolgt Verkauf und Abriss der ersten alten Villen

  • Grillparzerstraße 45, Gustav Freytag Straße 23, 22, 24
  • Bebauung Gärtnereigelände Müllerklein Grillparzerstraße 96
  • Grillparzerstraße 59, Klaus Groth-Straße 12
  • Grillparzerstraße 73, Liliencronstraße 16-18
  • Bebauung mit Wohnblocks mit jeweils 7-15 Wohnungen.

Das hier aufgezeichnete Gebiet umfasst circa 32 ha Land. Es stehen 379 Häuser auf diesem Areal. Bis 1926 standen bereits 135 Villen (ein Drittel der Gesamtbebauung) im einheitlichen Stil.
Es gibt 20 Blockbebaungen, davon 10 Stücke von 1952-65 errichtet, hauptsächlich im Neubaugebiet mit großzügigen Freiflächen außen. Ab 1927 bis zum Weltkrieg vereinfachte, jedoch auch sehr einheitlicher Stil, dem Bauhaus nachempfunden. Nach dem zweiten Weltkrieg bis 1965 einfacher, solider Baustil ohne Besonderheiten, jedoch zurückhaltend.
Die zehn Blockbebauungen nach 1965 sind im Baustil jeweils anders, ebenso in den Materialien.

Fotos zur Architektur finden Sie unter Bildergalerie.

Architektonisch beispielhaft ist auch die unter Denkmalschutz stehende gründerzeitliche Blockrandbebauung am Dornbusch. Höhe und Länge der imposanten Gebäude werden abgemildert durch Dachversprünge, Gauben, Abflachungen oder vorgelagerte Balkone. Gurtgesimse lockern die Fassade auf. Ganz aus der Reihe fällt dagegen das zeitgenössische Haus am Dornbusch, dessen Architekten kein Verständnis für die harmonische Bebauung eines Platzes hatten oder haben wollten. Das Gebäude deutet wie ein spitzer Pfeil in Richtung Passanten und Kreuzung – eine bedrohliche Architektur, die den kleinen Platz unwirtlich dominiert.

(die folgenden Bilder bitte anklicken für Vergrößerung und Erläuterung🙂

 

http://www.journal-frankfurt.de/journal_news/Kultur-9/Zwischenruf-von-Christoph-Maeckler-Warum-unsere-Staedte-so-haesslich-wurden-26883.html

http://www.deutschlandfunk.de/kampf-gegen-das-haessliche-die-koelner-erklaerung-zum.691.de.html?dram%3Aarticle_id=288908