Die Bürgervereinigung Dichterviertel wurde am 22. Mai 1987 gegründet. Das Dichterviertel ist nur ein kleiner Ausschnitt des heutigen Stadtteils Dornbusch und wird im Norden durch die Hügelstraße, im Westen mit der Eichendorffstraße, im Süden durch die Straße Am Dornbusch begrenzt, und im Osten ist die U-Bahn Linie auf der Eschersheimer Landstraße die bedauerliche Trennungslinie innerhalb des Stadtteils Dornbusch. Diese Teilung des Stadtteils wird so lange bestehen bleiben, bis hoffentlich eines Tages die U-Bahn doch noch unter die Erde kommen kann, was schon so oft vergeblich gefordert worden ist.
Von einer Geschichte dieses Dichterviertels kann erst ab Beginn des 20. Jahrhunderts die Rede sein. Damals entstand ein Wohngebiet zu beiden Seiten der Eschersheimer Landstraße vom Dornbusch im Süden bis zum weißen Stein im Norden. Im Osten erstreckte sich dieses neue Wohngebiet in Richtung Eckenheim und dem Westen bis zur Grenze des damals schon existierenden Stadtteils Ginnheim, aufgelockert mit vielen Bäumen. Der bekannte alte Lindenbaum in Eschersheim sei hier als besonderes Beispiel erwähnt. In diesem vorwiegend grünen Bereich bauten vor allem Frankfurter Bürger ihre Wohnhäuser, von denen es heute noch viele gibt und die dieses Wohngebiet geprägt haben. Zeitzeugen, die in den zwanziger und dreißiger Jahren ins Ziehen-Gymnasium Oder in die Ludwig Richter-Schule gingen, erzähle noch heute gar zu gern von den schönen Zeiten, die sie in diesem Viertel erleben durften. Sie erzählen aber nichts von einem Stadtteil Dornbusch, den es für sie damals jedenfalls noch nicht gegeben hat.
Wenn ein Bewohner des Dichterviertels gefragt wurde, wo dieses Viertel denn sei, da hat man voll Stolz allerdings geantwortet, dass das Viertel am Dornbusch sei. Nicht nur weil die Straße „Am Dornbusch” die südliche Begrenzung ist, sondern weil „Dichterviertel am Dornbusch” auch einen guten Klang hatte.
Erst allmählich entwickelte sich ein noch sehr spärlicher Autoverkehr. Die Straßenbahnlinien 23, 24 und 25 waren die eigentlichen Verkehrsmittel bis zur Hauptwache und zum Hauptbahnhof.
Damals waren im heutigen Gebiet des Dichterviertels die Straßen entstanden, die alle Namen bekannter Dichter erhielten; — worauf die Bewohner heute noch sehr stolz sind. – Mit großer Freude haben kürzlich die Mitglieder der Bürgervereinigung einen Spaziergang durch ihr schönes Viertel gemacht, und dabei wurde über jeden der 18 Dichter ein Vortrag gehalten.
Glücklicherweise wurden während des Krieges nur einige Häuser durch Bomben beschädigt. In den Jahren nach dem Krieg ist dann bald mit schnell wachsenden Autoverkehr eine ganz neue Situation entstanden. Heute braust über die Eschersheimer Landstraße der Verkehr von Norden her morgens in die Stadt und am Abend zurück, hauptsächlich gespeist über die Hügelstraße als Zubringerverkehr zu den Autobahnen.
Manche der alten Häuser könnten eine Geschichte erzählen: da ist vor allem das Haus in der Ganghoferstraße zu erwähnen, in dem Anne Frank (geboren am 12. Juni 1929) wenige Jahre gewohnt hat. Sie starb als Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung 1945 im KZ-Lager von Bergen-Belsen.
Die Inhaber-Familie von T & N (Telefonbau und Normalzeit) haben hier ihre Häuser gebaut: der Senator Lehner in der Gustav Freytag Straße, sein Sohn Fritz Lehner in der Klaus Groth-Straße und die Villa der Engels in der Grillparzerstraße. Bevor dieses Haus abgerissen wurde, war es der Tatort einer zweiteiligen Sendung „ein Fall für zwei”.
So wohnten dort auch Fritz Dietz, der Präsident der Frankfurter Industrie- und Handelskammer, in der Klaus Groth-Straße, die Schriftstellerin Miele Braach bis zu ihrem hundertzweiten Lebensjahr in der Eichendorffstraße, Hilmar Hoffmann in der Liliencronstraße, Karl Beilharz, Inhaber von M. Schneider, in der Grillparzerstraße, Luise Zorn in der Grillparzerstraße und Doktor Thomae, Chirurg und bekannt durch seine Frischzellen-Therapie, in der Liliencronstraße.
Anfang der Achtzigerjahre entstanden leider zwei verhältnismäßig hohe und große Flachdachhäuser, die so gar nicht in das Viertel passen. Um weitere derartige Neubauten zu verhindern, haben sich damals zahlreiche Bürger mit einer Unterschriftenaktion bei der Stadt beklagt und zum Schutz eine Erhaltungssatzung für das Dichterviertel beantragt. Die Stadt hat diesem Anliegen entsprochen, und mit dieser Satzung konnte dann auch erreicht werden, dass sich weitere Neubauten besser in das Bild dieses Wohnviertels einfügten.
Diese erfolgreiche Aktion hat dazu geführt, dass man im Interesse der Menschen in diesem schönen Viertel in einem Verein zusammen bleiben wollte. Dem kürzlich verstorbenen Dr. Karl-Heinz Westphal ist es hauptsächlich zu verdanken, dass 1987 die Bürgervereinigung Dichterviertel gegründet wurde, deren Vorsitzender er bis 2005 war.
Zweck dieses Vereins, der heute über 100 Mitglieder zählt, ist in erster Linie die Erhaltung des Charakters dieses Viertels mit seinen Häusern und mit seinen zahlreichen alten Bäumen. Dazu gehört auch der Umweltschutz durch Anregung bei Behörden und in der Öffentlichkeit zur Entlastung des Verkehrs, Reinhaltung der Luft und Verminderung der Lärmbelästigung. Bei der Pflege von Heimat und Kultur geht es um Ausflüge im Rhein-Main-Gebiet, um Vorträge und Rezitationen auch in Mundart, Besichtigungen, Schlosskonzerte in Weilburg.
Besonders wichtig ist die Pflege guter Nachbarschaft. Dreimal im Jahr trifft man sich bei gemütlichen Beisammensein und beim Sommerfest unter den Linden in der Klimschanlage oder in Gärten im Viertel. In der Klimsch-Anlage hat der Verein vor Jahren eine Linde selbst gepflanzt, und deshalb feiern die Erwachsenen dort gern bei Äppelwein und Bier und die Kinder bei Kaspertheater und lustigen Spielen.
Ein Großteil der Mitgliedsbeiträge ist für ausgewählte Spenden vorgesehen. Zuletzt waren dies Beiträge für die Kindervilla in der Gustav Freytag-Straße, für Fitnessgeräte für die Männer der Feuerwache am Marbachweg und fürs Altersheim in der Hügelstraße.
Hubert Buss (2007)
Erinnerungen ans Dichterviertel
1951 sind wir aus der Evakuierung in der Rhön wieder nach Frankfurt gekommen. Wir waren eine große Familie: fünf Mädels, zwei Hausangestellte und zwei Hunde.
Herr Meyer, der Hauseigentümer, wohnte im jetzigen Kindergarten in der „Gustav”. Er besaß auch einen Tafelobstgarten (Nummer zwölf), den er an uns verkaufte.
Das Haus an der Ecke Gustav- Freytag/Liliencronstraße beherbergte einen Schwesternkonvent mit Kapelle, da war man als Katholik zur Messe willkommen.
Die Eichendorffstraße war damals nur am Anfang zwischen Dornbusch und Liliencronstraße bebaut, der nördliche Teil war Feldweg mit Brombeerhecken bis nach Bockenheim. Man sagt, es war ein alter Handelsweg schon der Römer nach Nida.
Am Ende der Eichendorffstraße baute Mitte der fünfziger Jahre die Allianz ihre Siedlungen in der Wilhelm Busch-Straße und später die „Amis” ihre Housing area bis zur Hügelstraße.
In der Wildenbruchstraße (jetzt Spielplatz) war noch eine alte zerfallene Ziegelei – ebenso soll auch in der Ganghoferstraße 24 (der Garten liegt tiefer) eine Tongrube gewesen sein. Am Ende der Grillparzerstraße (neben Trappes) war bis circa 1973 die Gärtnerei Müller-Klein, die dann nach Usingen zog – Bauland war teuer.
Die Klaus Groth-Straße war auch geteilt, da dort die Gärtnerei Lenz ihre Felder hatte.
Auf der Raimundstraße fuhr die Straßenbahn Nummer 17, ein Wagen, der Anschluss nach Ginnheim. Deshalb wurde sie Ginnheimer Lieschen genannt. Außerdem gab es dort zwei Tankstellen – eine Esso, wo heute Aldi ist, und eine Shell an der Stelle des heutigen iranischen Konsulats.
Einkaufen ging man an den großen Straßen Eschersheimer und Dornbusch. Beliebt war das Café Ruppert an der Ecke Roseggerstraße (jetzt indisches Restaurant). Ein Geschäft für Obst und Südfrüchte führte Familie Jung an der Stelle, wo heute die Commerzbank ist; an der Ecke Liliencronstraße (jetzt Tierfutter) gab es früher Bäcker- und Kolonialwaren.
An der Ecke Malßstraße befand sich das Farbenhaus Rieger; am Dornbusch daneben Aral Tankstelle mit Autoreparatur – später Michael Deuerling. Auf der Eschersheimer stadteinwärts rechts befand sich ein kleiner Fotoladen, Reb, sodann ein Metzger, dann Blumen Lembke, anschließend Gasthaus Schlund mit schönem Garten und an der Ecke das Kaufhaus am Dornbusch (heute Sanitätshaus). Das Kaufhaus führte Reißverschlüsse, Knöpfe und war bekannt für gute Reparatur von Laufmaschen – denn „Nylons” waren teuer.
Am Dornbusch gab es Brillen Gillen, Zoo Dull, und die Bäckerei Grün an der Ecke Eichendorffstraße. Der Dornbusch war mit einem Kaiser’s Kaffeeladen gut bestückt (Ecke Marbachweg), und Büro Bunz sorgte für alle Schultüten und –hefte. Unsere Drogerie hieß Bäckle (diese Familie waren die direkten Nachmieter der Familie Frank in der Ganghoferstraße). 1972 zog ich dann dort mit Familie und physiotherapeutischer Praxis ein.
Am Dornbusch stand mitten auf der Kreuzung ein Polizist, unser Schupo, in einer runden rot-weissen Trommel, und regelte den Verkehr. An Weihnachten war er meterweise von Wein und Plätzchentüten eingeengt (auch der Verkehr).
Mitte der Fünfzigerjahre wurde auf den Kornfeldern und Wiesen, die bis nach Eckenheim reichten, die Dornbuschsiedlung mit tollen Geschäften und einem Bürgerhaus gebaut. Pfüller, Uhren-Christ, Spielzeug Behle – alle guten Geschäfte aus der Innenstadt kamen zu uns. Mit dem U-Bahn Bau teilte sich die Straße, und man konnte nur schwer die andere Seite erreichen – das war der Tod dieser Geschäfte!
Kaja Janssen